Als Protestanten und Sozialdemokraten beobachtet wurden
Aufgrund des anstehenden Umzuges in ein neues Dienstgebäude schließt das Staatsarchiv Landshut für den Benutzerverkehr in diesen Tagen seine Pforten „Zum Glück ist der Umzug schon in den 1980er Jahren beschlossen worden“, stellte Müller fest. Denn damit bleibe die Bezirkshauptstadt Landshut auch weiterhin Sitz des niederbayerischen Staatsarchivs. Betrachte man die Diskussionen um die Verlagerung des Würzburger Archivs nach Kitzingen, könne man froh sein, dass das hiesige Staatsarchiv auch künftig in Landshut beheimatet ist. Die Landshuter Abgeordnete Ruth Müller nutzte die Gelegenheit, sich am Freitag gemeinsam mit der Landshuter OB-Kandidatin Patricia Steinberger und Stadträtin Anja König ein letztes Mal das Archiv in seinen bisherigen Räumen auf der Burg Trausnitz zeigen zu lassen.
In Vertretung von Archivdirektor Dr. Martin Rüth empfing Archivoberrat Dr. Thomas Paringer die Abgeordnete, die von Vertreterinnen der SPD aus Stadt und Landkreis begleitet wurde. Dr. Thomas Paringer ging zunächst kurz auf die Geschichte des Staatsarchivs Landshut ein. Die Besucherinnen erfuhren, dass das Staatsarchiv Landshut für die staatlichen Mittel- und Unterbehörden sowie Gerichte im Regierungsbezirk Niederbayern ab Anfang des 19. Jahrhunderts sowie für die herzogliche und adelige Überlieferung der ehemaligen Rentmeisterämter Landshut und Straubing zurück bis zum ausgehenden Mittelalter zuständig ist. Anschließend erläuterte Dr. Paringer die verschiedenen Motive und Fragestellungen der Archivbenützer (Familien- und Heimatforschung, aber auch wissenschaftliche Arbeiten und behördliche Anfragen) und ging auf die jeweils infrage kommenden Archivalien ein.
Paringer hatte sich gut vorbereitet und präsentierte den SPD-Frauen eine Auswahl „besonderer Akten“, die man unter dem Motto „Als Protestanten und Sozialdemokraten beobachtet wurden“ zusammenfassen könnte. Neben dem Briefwechsel zur Errichtung einer protestantischen Schule, konnten sich die Besucherinnen auch über den Bau des ersten protestantischen Bethauses in Landshut anhand alter Schriftstücke und Pläne aus dem Jahre 1847 informieren, was vor allem die evangelische Abgeordnete Ruth Müller interessierte. Für die stellvertretende Stadtverbandsvorsitzende Patricia Steinberger, die im Ortsteil Achdorf wohnt, hatte Dr. Paringer ein besonderes Schmankerl vorbereitet: „Aus den Jahren 1900 bis 1902 gibt es einen umfangreichen Schriftwechsel zur Beerdigung eines protestantischen Bürgers in Achdorf, bei der – entgegen der erlaubten einen Glocke – die Trauergäste sich gleich mehrerer Glockenseile bemächtigten und rechtswidrig viel zu viel Geläut anstimmten“.
Neben den Schriftfunden zur protestantischen Kirche erwartete die SPD- Politikerinnen ein weiteres Glanzlicht: Der Generalakt, eine Sammlung behördlicher Anweisungen, aus dem Bezirksamt Vilsbiburg mit der Überschrift „Sozialdemokraten – Streiks- Anarchie“. Die umfangreiche Sammlung reichte von Dienstanweisungen zur Umsetzung der Sozialistengesetze bis hin zu landesweiten Fahndungslisten. Dr. Paringer versicherte aber, „dass es zu keinen Amtshandlungen in Bezug auf diese Dienstanweisungen kommen musste“.
Das Staatsarchiv Landshut ist die staatliche Fachbehörde für alle Fragen des Archivwesens im Regierungsbezirk Niederbayern. Bereits unter den Herzögen der aus der Teilung von 1392 hervorgegangenen Linie Bayern- Landshut sind im 15. Jahrhundert Archive auf der Burg Trausnitz nachweisbar. Ausgehend von verschiedenen Spezialregistraturen entstand auf der Trausnitz im 19. Jahrhundert ein umfassendes „Rechnungsarchiv“ und Registraturdepot, das sich die Besucherinnen im Magazin des Archivs ansehen konnten. Hinzu kommen Unterlagen nachgeordneter Stellen der zivilen Reichs- und Bundesverwaltung sowie zahlreiches Schriftgut privater und weiterer öffentlich- rechtlicher Archivbildner. In diesen Unterlagen wurden unter anderem festgehalten: Hofübergaben, Eheschließungen, der Austrag, Vormundschaften, Beglaubigungen, Kaufbriefe, Testamente, usw. Paringer präsentierte zwei der rund 10.000 Urkunden, so eine gesiegelte Verkaufsurkunde aus dem Jahre 1619 aus Altheim (Essenbach) und eine Übergabeurkunde aus dem Jahre 1532 aus Pfeffenhausen.
Abschließend zeigte Dr. Thomas Paringer den Besucherinnen auch den letzten Rest seiner „verfügbaren Kapazität“ – es handelte sich um wenige Meter Aktenregal, das noch nicht gefüllt war. Hierzu erklärte der Archivar, dass für ein einziges Jahr mit einem Aktenzuwachs von rund 300 Metern gerechnet werde. Dr. Paringer zeigte sich sehr erfreut über den anstehenden Umzug in das neue Gebäude in der Schlachthofstr. 10. Dort füllt der aktuelle Bestand aus der Burg (11km Aktenbestand) plus dem ausgelagerten Depot (7km Aktenbestand) lediglich die Hälfte des neuen Gebäudes und ist somit für Jahrzehnte hinaus eine willkommene Erweiterung, denn „das Wesen des Archivs ist, dass es wächst“, fasste Dr. Thomas Paringer abschließend seine Arbeit als Archivar zusammen.